1 Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt Straßenbauarbeiten zur grundhaften Erneuerung eines stark frequentierten Autobahnabschnitts europaweit aus. Hierbei verzichtet er auf die Bildung von Fachlosen und begründet dies u.a. mit der Verkürzung der Bauzeit und einer höheren Wirtschaftlichkeit der Beschaffung. Außerdem führt er an, eine Gesamtvergabe vermeide Kompatibilitätsprobleme und führe zu einem geringeren CO2 –Ausstoß durch weniger Stau.
Ein Anbieter passiver Schutzeinrichtungen wendet sich im Wege eines Nachprüfungsverfahrens gegen diese Gesamtvergabe. Sein entsprechender Antrag bleibt vor der Vergabekammer des Bundes jedoch ohne Erfolg, da sie keinen Verstoß gegen das Gebot der Losbildung festzustellen vermochte. Gegen diese Entscheidung erhob der Bieter sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Mit Erfolg!
2 Entscheidungsgründe
Gemäß § 97 Abs. 4 S. 3 GWB dürfen mehrere Lose zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Das OLG Düsseldorf führt in seinem Beschluss vom 21.08.2024 (AZ: Verg 6/24) aus, dass aus dem Vermerk über die Gesamtvergabe derartige wirtschaftliche oder technische Gründe nicht erkennbar seien. Zwar solle ein Auftraggeber durch das Gebot der Losbildung nicht zu einer für ihn unwirtschaftlichen Beschaffung verpflichtet werden. Die vom Auftraggeber angeführten Nachteile im Fall einer Losbildung können allenfalls im Rahmen einer Abwägung zwischen Gesamtvergabe und Losbildung berücksichtigt werden. Gerade diese habe jedoch nicht stattgefunden; stattdessen habe der Auftraggeber nur die Vorteile einer Gesamtvergabe herausgearbeitet.
3 Fazit
Die Entscheidung beschäftigt sich mit einer deutschen Besonderheit des Vergaberechts, nämlich dem Gebot der Losbildung. Ziel des Vergaberechts ist es, die Vergabe öffentlicher Aufträge im Wettbewerb zu gewährleisten. Ein Instrument zur Schaffung von Wettbewerb ist das Gebot der losweisen Vergabe: Leistungen sind nach der Menge aufzuteilen (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.
Hierdurch soll kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) die Teilnahme an Vergabeverfahren erleichtert werden. Denn während bei KMU oft schlicht und einfach die Kapazitäten fehlen, um komplexe Aufträge als Ganzes auszuführen, können sie einzelne Gewerke aufgrund ihrer Spezialisierung und ihres Know-how ohne Weiteres ausführen. Diesem Umstand soll der Auftraggeber durch eine entsprechende Ausgestaltung des Vergabeverfahrens Rechnung tragen und den Kreis potenzieller Bieter durch Losvergabe erweitern. Daher sollten sich KMU, die in einem bestimmten Markt(-segment) tätig sind, nicht scheuen, bei Ausschreibungen, die eine Gesamtvergabe zum Gegenstand haben, rechtlichen Rat einzuholen.
Denn das OLG Düsseldorf zeigt deutlich auf, dass eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht kommt, nämlich dann, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe sie erfordern. Ob dies der Fall ist, können Auftraggeber nur im Wege einer umfassenden Abwägung der Für und Wider die Gesamtvergabe sprechenden Umstände ermitteln. Auftraggeber sind daher gut beraten, ihre Entscheidung für eine Gesamtvergabe eingehend zu begründen und zu dokumentieren oder im Zweifel dem Gebot der Losbildung den Vorrang zu geben, um zeit- und kostenintensive Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.
3 Zum Autor
Rechtsanwalt Michael Falk, LL.M., ist Experte im Vergaberecht. Er berät deutschlandweit öffentliche Auftraggeber und namhafte Auftragnehmer in allen Belangen des Vergaberechts.
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